Die Führungsaufgabe, Mitarbeiter zu motivieren, ist eine sehr facettenreiche. Dies wird bei der Diskussion über das Thema Mitarbeitermotivation oft nicht ausreichend bedacht. Das zeigt auch ein Debattenbeitrag, der u.a. mit mir und Reinhard Sprenger in der Zeitschrift PersonalSchweiz publiziert wurde

Ist es die Aufgabe einer Führungskraft, ihre Mitarbeitenden zu motivieren oder nicht? Hierüber wird seit Jahrzehnten in Berater- und Personalerkreisen lebhaft debattiert. Dabei schlägt das Pendel situations- und konstellationsabhängig mal in eine und mal in die andere Richtung.

Meines Erachtens ist die Motivationsdebatte eine Scheindebatte, denn selbstverständlich müssen die Mitarbeitenden der Unternehmen als Gehaltsempfänger eine gewisse Eigenmotivation mitbringen, ihre Aufgaben gut zu erfüllen. Doch entlässt dies ihre Führungskräfte von der Aufgabe, ihre Mitarbeiter zu motivieren? Nein, dies ist und bleibt eine ihrer Kernaufgaben!

 

Die Mitarbeiter motivieren heißt mehr als sie zu loben

Dass hierüber so endlos debattiert wird, liegt meines Erachtens auch daran, dass viele Akteure im Personalbereich ein verkürztes Motivationsverständnis haben. Sie setzen das Motivieren gedanklich weitgehend mit einem Loben der Mitarbeitenden für ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten, ihr Engagement und ihre Leistung gleich.

Selbstverständlich ist auch dies im Führungsalltag zuweilen wichtig, denn viele im Arbeitsalltag nötige Einstellungen und Verhaltensweisen – wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit usw. – sind nicht so selbstverständlich wie sie manchen Führungskräften erschienen. Das wird ihnen leider oft erst bewusst, wenn die betreffenden Mitarbeitenden das Unternehmen verlassen haben.

 

Motivieren heißt auch die Mitarbeiter einbinden

Doch die Aufgabe Mitarbeitermotivation umfasst weit mehr. Sie beinhaltet zum Beispiel auch die Teilaufgabe, mit den Mitarbeitenden in einen Dialog darüber zu treten, warum das Erledigen gewisser Aufgaben und Erreichen bestimmter Ziele nötig ist, damit sie ihre Arbeit als sinnvoll erfahren. Sie beinhaltet zudem mit den Mitarbeitenden darüber zu kommunizieren, wie die Zusammenarbeit erfolgen sollte, damit diese bei ihrer Arbeit die nötige Orientierung haben und diese als befriedigend erfahren. Zudem gilt es ihnen im Alltag das Gefühl zu vermitteln, ich nehme dich nicht nur als Arbeitskraft, sondern auch als Mensch mit eigenen Interessen wahr und wertschätze dich als Person, denn: Nur aus dem zwischenmenschlichen Kontakt erwächst Beziehung und somit eine emotionale Bindung, die wiederum zu einer Identifikation mit dem Team, dem Unternehmen und den eigenen Aufgaben führt.

 

Die Führungskräfte müssen als „sozialer Kit“ fungieren

Die Führungsaufgabe, der „soziale Kitt“ zu sein, der das Team zusammenhält, hat in den zurückliegenden Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Denn u.a. die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg und ihre Folgen wie Inflation, Energiekrise, Lieferengpässe haben auch die Mitarbeitenden stark verunsichert. Das heißt wiederum, die Zentrifugalkräfte steigen – also zum Beispiel ihr Bestreben, sich nach Jobalternativen umzuschauen.

Hinzu kommt: Die Mitarbeitenden arbeiten heute in vielen Unternehmen (bzw. Bereichen von ihnen) mit ihren Kollegen weitgehend virtuell zusammen. Sie treffen diese also seltener persönlich. Deshalb müssen sich die Führungskräfte verstärkt darum bemühen, den Teamspirit in ihrem Team aufrecht zu erhalten; beispielweise, indem sie mit ihren Mitarbeitenden im Homeoffice noch häufiger und persönlicher kommunizieren.

 

Herausforderung: Sinnstifter und Beziehungsmanager sein

Zusammenfassend bedeutet dies: Die Führungskräfte müssen sich noch stärker als früher als Sinnstifter und Beziehungsmanager verstehen, also als Motivatoren ihrer Mitarbeitenden und Teams. Das Bewusstsein der Führungskräfte hierfür zu schärfen und ihre diesbezügliche Kompetenz zu stärken, ist heute eine der zentralen Funktionen der Führungskräfteentwicklung.

Barbara Liebermeister

PS.: Der obige Artikel erschien in einer gekürzten Variante in einer Expertendiskussion zum Thema „Motivation — Aufgabe der Führungskraft der Sache der Mitarbeitenden?“ in der Zeitschrift PersonalSchweiz, bei der außer mir auch Dr. Reinhard K. Sprenger um eine Stellungnahme zum Thema gebeten wurde – siehe hier.