Die Themen New Work und Leadership wurden lange Zeit rein als Personalthemen betrachtet. Doch zunehmend zeigt sich: Die Unternehmen müssen sich mit ihnen befassen, weil sich ihr Umfeld und ihre Märkte in einem fundmentalen Wandel befinden.
Seit einigen Jahren wird nicht nur in den Unternehmen, sondern auch in der Gesellschaft lebhaft über das Thema „New Work“ debattiert – unter anderem, weil sich in den Betrieben ein Generationswechsel vollzieht: Die sogenannten Babyboomer scheiden zunehmend aus ihnen aus und die Angehörigen der sogenannten Generationen y und z treten an ihre Stelle bzw. übernehmen in ihnen teils sogar bereits das Ruder.
Diese „Digital Natives“, also Frauen und Männer, die mit dem Internet und Smartphone sowie den Social Media aufwuchsen, haben oft andere Wünsche und Erwartungen bezüglich ihrer Arbeit als ihre älteren Kollegen. Und hierauf müssen die Unternehmen reagieren, ob sie wollen oder nicht – auch aufgrund des Fach- und Führungskräfte-Mangels.
Corona zeigte: Andere Formen der Zusammenarbeit und des Lernens sind möglich
Ein Verstärker dieser Entwicklung war die Corona-Pandemie. Sie machte unter anderem aufgrund der geltenden Kontaktbeschränkungen, solche Veränderungen in der Zusammenarbeit erforderlich wie zum Beispiel das vermehrte Arbeiten im Homeoffice verknüpft mit einer verstärkten virtuellen Kooperation und Kommunikation. Auch das (kollektive) Lernen fand vermehrt digital statt.
Dadurch wurde für die Mitarbeitenden erfahrbar: Andere als die traditionellen Formen der (Zusammen-)Arbeit sowie des Lernens sind, wenn gewollt, möglich. Dies veränderte auch ihre Erwartungshaltung. Auch deshalb sind viele der zunächst Corona-bedingten Veränderungen inzwischen unumkehrbar.
Das sehen auch die meisten Unternehmen so. Das zeigt unter anderem das jüngste Leadership-Trendbarometer des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ). An dieser Online-Befragung Anfang 2023 nahmen 177 Führungskräfte teil. Von ihnen waren 75 Prozent der Auffassung: Die Beschäftigung mit dem Thema New Work ist für die Unternehmen keine „nice to have”-Angelegenheit; sie ist vielmehr aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen eine Notwendigkeit.
Nicht nur die Erwartungen der Mitarbeiter haben sich verändert
Auffallend dabei ist: Nur 14 Prozent der Führungskräfte sehen in der Beschäftigung mit dem Thema New Work primär eine Reaktion der Unternehmen auf die veränderten Erwartungen und Bedürfnisse der Generationen Y und Z. Die Ursachen hierfür sind ihres Erachtens vielmehr vielschichtiger und tiefgründiger.
So wiesen in den vertiefenden, persönlichen Interviews, die das IFIDZ mit etwa einem Fünftel der Befragungsteilnehmer führte, diese immer wieder darauf hin: Auch die Bedürfnisse und Erwartungen unserer Kunden haben sich unter anderem durch die gefühlte Omnipräsenz des Internets und der Social Media so massiv geändert, dass die Arbeit in den Betrieben teils neu strukturiert werden muss. Und diese Notwendigkeit wird weiter steigen.
Der verstärkte KI-Einsatz wird den Veränderungs- und Lernbedarf weiter erhöhen
Davon ist der Gros der Führungskräfte überzeugt. Sie wiesen in den Gesprächen zum Beispiel immer wieder darauf hin, dass durch die seit November 2022 mögliche allgemeine, kostenfreie Nutzung des Chatbots ChatGPD auch vielen Top-Entscheidern in den Unternehmen erst bewusst wurde, welche Chancen zur Neugestaltung vieler Prozesse die künstliche Intelligenz ihren Organisation heute bereits bietet. Deshalb erwarten sie:
- Der Change- und Lernbedarf in den Unternehmen wird weiter steigen.
- Künftig werden in ihnen verstärkt KI-Systeme zum Einsatz kommen und als Folge davon werden auch zahlreiche Geschäftsprozesse neu strukturiert werden. Und:
- Hierdurch werden sich außer den Aufgaben vieler Mitarbeiter insbesondere in den marktnahen Bereichen der Unternehmen auch die Anforderungen an sie massiv verändern.
Die Themen New Work, New Learning und New Leadership sind miteinander verknüpft
Trotz dieser gravierenden Veränderungen, vor denen viele Unternehmen bzw. Unternehmensbereiche in den kommenden Jahren voraussichtlich stehen, sind 62 Prozent der befragten Führungskräfte überzeugt: New Work ist „primär eine Kultur- und weniger eine Strukturfrage”. Zudem müssen die Unternehmen aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung und der Herausforderungen, vor denen sie in der von rascher Veränderung und sinkender Planbarkeit geprägten VUKA-Welt stehen, außer ihrer Personalpolitik auch ihre Handlungs- bzw. Problemlösungsstrategien grundsätzlich überdenken. Und den hieraus resultierenden Changebedarf gelte es den Mitarbeitenden im Betriebsalltag zu vermitteln. Deshalb ist für das Gros der Führungskräfte (72 Prozent) das Thema New Work auch untrennbar mit dem Thema New Leadership verknüpft.
Generell sind die Führungskräfte überzeugt: Die Bedeutung von Führung in den Unternehmen wird in den nächsten Jahren immer weiter steigen – auch weil aufgrund der vielen Unwägbarkeiten zurzeit aktuell noch niemand weiß, wohin die Reise mittel- und langfristig geht. Dadurch verändert sich, so ihre Überzeugung, auch die Funktion der Führungskräfte. Sie seien in ihrem Arbeitsalltag immer stärker als „Sinnstifter“ und „Beziehungsmanager“ gefragt, die ihren Mitarbeitenden in einer Situation, in der gefühlt sozusagen alles permanent auf dem Prüfstand steht, Orientierung und Halt bieten. Zu einer ihrer Kernaufgaben entwickle es sich zunehmend, in einem von rascher Veränderung geprägten Umfeld den Teamspirit in ihrem Team zu bewahren und eine von Vertrauen geprägte Beziehung zu ihren Mitarbeitenden aufzubauen – auch damit diese bereit sind, ihnen zu folgen.
Den Führungskräften Unterstützung in Sachen New Work und Leadership gewähren
Was dies für ihr Führungsverhalten im Arbeitsalltag bedeutet, diesbezüglich sind viele Führungskräfte aktuell noch unsicher. Sie erleben sich selbst noch stark als Suchende, nicht nur wenn es um das Gestalten der Strukturen der künftigen Zusammenarbeit in ihrem Team, sondern auch das Gestalten der Beziehung zu ihren Mitarbeitenden geht.
Entsprechend wichtig ist es, dass in den Unternehmen zum Beispiel Foren geschaffen werden, in denen sich die Führungskräfte beispielsweise über solche zukunftsweisenden Fragen austauschen wie:
- Welche Veränderungen in der Zusammenarbeit werden in naher Zukunft unter anderem aufgrund des verstärkten KI-Einsatzes und der sich immer rascher wandelnden Kundenbedürfnisse in unserer Organisation noch nötig sein? Und:
- Was bedeutet dies für meine Mitarbeitenden und mich als Führungskraft.
Denn nur wenn die Führungskräfte selbst eine gewisse Orientierung können, sie ihren Mitarbeitenden den gewünschten Halt und die nötige Orientierung geben – und diese bei ihren Lernprozessen unterstützend begleiten. Außerdem können sie nur dann in ihrem Bereich die Weichen in Richtung Zukunft stellen.